Solothurner Zeitung – 29.9.2020
10’000 Franken für Biodiversitäts-Pioniere: Kanton zeichnet Lebenswerk aus
Im Rahmen der Kunst- und Kulturpreise zeichnet der Kanton in diesem Jahr auch ein Biodiversitätsprojekt aus. Kuno und Beatrice Fluri-Wyler erhalten den Anerkennungspreis. Mit diesem will der Kanton nicht mehr länger zusätzliche Kunstschaffende ehren; sondern Lebenswerke auszeichnen.
Musik, Film, Theater – der Kanton vergibt alle Jahre wieder im Herbst Kunst- und Kulturpreise an Solothurner Kunstschaffende. In diesem Rahmen wird auch ein Anerkennungspreis verliehen. Was an der Liste der Preisträgerinnen und Preisträger auffällt: Der Anerkennungspreis wird dieses Jahr an «Pioniere der Biodiversität» vergeben. Das Ehepaar Kuno und Beatrice Fluri-Wyler, ursprünglich aus Balsthal, erhält den mit 10’000 Franken dotierten Preis. Sie haben vor Jahren das «Solothurner Modell» ins Leben gerufen – einfach gesagt ein Projekt, in dessen Rahmen Landwirte Geld erhalten, wenn sie auf ihren Juraweiden eines tun: nichts. Und so der Artenvielfalt mehr Platz geben.

«Wir müssen der Natur Platz lassen»
Der Stolz ist dem 92-jährigen Kuno Fluri-Wyler auch am Telefon anzuhören. «Das hat mich richtig gefreut», sagt der Träger des Solothurner Anerkennungspreises. Vor allem finde er es schön, dass er gemeinsam mit seiner Frau, Beatrice Fluri-Wyler ausgezeichnet worden ist. Sie habe nämlich die ganze Dokumentation des Projekts bewältigt und Anrufe von Bauern entgegengenommen, wenn er «draussen auf dem Feld» gewesen sei. «Das war enorm wichtig.»
Gleichzeitig sei die Preisvergabe sehr überraschend gekommen. Tatsächlich wird das Ehepaar Jahre nach dem Einsatz von Fluri als «verwaltungsexterner Beauftragter des Regierungsrats für Weiden und Heumatten» geehrt. In dieser Funktion war Fluri nämlich von 1982 bis 2004 tätig. Wobei: Sein Wirken in den Jahren davor habe da auch mitgespielt, erzählt Fluri. Aus dem Stegreif nennt er Daten, verschiedene Arbeitsgruppen und Kommissionen, in denen er tätig war, Wissenschafter und Landwirte, mit denen er zu tun hatte. Der heute 92-Jährige war damals gut vernetzt, war viele Jahre lang Jäger im Thal, machte sich zuerst dort, später im ganzen Kanton für den Schutz der Natur stark – was dazu beitrug, dass er vom Regierungsrat 1982 die erwähnte Aufgabe erhielt.
Heute stecken Millionen im kantonalen Mehrjahresprogramm Natur und Landschaft – dieses ist aus dem Solothurner Modell hervorgegangen und soll nebst Weiden heute auch noch ganz andere Lebensräume schützen und fördern. Im Vergleich zu früher sei das Programm viel komplexer, meint Fluri. Aber was immer noch gelte: «Die Natur weiss sich schon zu wehren.» Dann erzählt der gebürtige Balsthaler davon, wie er auf Spaziergängen mit dem Grossvater im Jahr 1932 noch das Tausendgüldenkraut bewundern konnte. Später sei diese Pflanze verschwunden. Doch heute sei das Kraut wieder zurück. «Die Natur weiss sich schon zu wehren», betont Fluri erneut. «Wir müssen ihr nur Zeit lassen. Und Platz.»
Das Projekt hat Eindruck gemacht; auch andere Kantone haben das «Solothurner Modell» adaptiert, laut Staatsschreiber Andreas Eng hat auch der Bund abgeguckt und sich zu seinem Modell der Direktzahlungen – Landwirte erhalten Geld für gewisse Leistungen – inspirieren lassen. Was das Projekt mit Kunst oder Kultur zu tun hat, ist aus den Unterlagen der Staatskanzlei nicht ersichtlich. Auf Anfrage heisst es beim Staatsschreiber: «Direkt nichts. Das soll es aber auch gar nicht.»
Für Kunst gibt es genug Kategorien
Rückblick auf die Vergabe des Anerkennungspreises in vergangenen Jahren: Mal wurde eine Malerin ausgezeichnet, mal ein Kunstvermittler. Wie Eng es ausdrückt, kamen mit der Zeit immer mehr Personen aus dem Bereich Kunst und Kultur zum Handkuss, die keinen der Kunst- und Kulturpreise gewonnen haben, aber trotzdem ausgezeichnet werden sollten. Aber: «Wir haben ja in diesem Bereich eigentlich genug Kategorien», findet Eng.
So wolle sich der Regierungsrat, der den Anerkennungspreis vergibt, wieder zurückbesinnen auf den eigentlichen Sinn und Zweck des Preises: «Lebenswerke» will man damit auszeichnen. Personen würdigen, die im Kanton Aussergewöhnliches geleistet haben – sei das aus dem sozialen Bereich oder der Wirtschaft, oder eben, wie aktuell, aus dem Gebiet des Naturschutzes. So habe man ja auch schon vor Jahren – 1992 war das – den Initianten der «Swatch» den Preis überreicht.
«Jetzt, wo er 92 Jahre alt ist, dachten wir, es sei wirklich Zeit, den Preis Kuno Fluri und seiner Frau Beatrice zukommen zu lassen», so Staatsschreiber Andreas Eng. Das Thema Biodiversität sei im Moment sehr aktuell. «Die Fluris haben den Preis verdient – wenn man bedenkt, welch Pionierarbeit sie schon damals geleistet haben.» Dass der Anerkennungspreis gleichzeitig wie die Kunst- und Kulturpreise übergeben wird, sei gewollt, so der Staatsschreiber. Man habe seinerzeit definiert, dass dieser feierliche Event der «passende Anlass» sei, um auch den Anerkennungspreis zu verleihen.